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Interview

Im Wandel
Lernen

 

Die Transformation in der Automobilbranche wirkt sich massiv auf die Jobprofile von Beschäftigten aus. Der weltweit tätige Technologiekonzern ZF möchte alle Mitarbeitenden auf diesem Weg mitnehmen. Das Unternehmen hat mit der E-Cademy eine groß angelegte Qualifizierungsinitiative gestartet, um sie fit für die Zukunft bei ZF zu machen. Wie es gelungen ist, innerhalb kurzer Zeit schon 22.000 Beschäftigte dafür zu gewinnen, erzählt Christina Schulte-Kutsch.

Christina Schulte-Kutsch

„Wenn ich Zukunft gestalten will, darf sie sich nicht nach Vergangenheit anfühlen”

Christina Schulte-Kutsch, Senior Vice President Talent & Organization, ZF Group

Was ist die E-Cademy?

Themen wie Digitalisierung, Elektromobilität oder autonomes Fahren verändern die Job- und Kompetenzprofile in der Branche massiv. Die E-Cademy ist eine Qualifizierungsinitiative für den Wissens- und Kompetenzaufbau rund um die Elektromobilität. Wir möchten unseren Beschäftigten die Chance geben zu verstehen, was sich verändert und was das konkret für ihren Beruf bedeutet.

Es handelt sich zunächst um eine Breitenqualifizierung: Grundlage ist ein gemeinsam mit internen und externen Experten entwickeltes Wissensmodell, das elf konkrete Wissensfelder für die Zukunft aufzeigt.  Nach einem Wissens-Check werden abhängig vom jeweiligen Wissensstand passende Inhalte angeboten: jeder Lernende  kann sich einen individuellen Lernpfad zusammenstellen. Das ist das Grundkonzept. Wir empfehlen Inhalte, limitieren dies aber nicht: Jeder kann auf alle Inhalte zugreifen, denn wir möchten Interesse wecken, über das eigene Kompetenzfeld hinaus zu lernen. Wir setzen stark auf Selbstorganisation, das entspricht der modernen Arbeitswelt und unterstützt den Kulturwandel im Lernen.  

Gilt das für alle Beschäftigten?

Ja. Wir haben zwei Konzepte entwickelt. Die Deskworker lernen über die E-Learning-Plattform mit Wissens-Check, können die Inhalte individuell abrufen und haben die Möglichkeit, an virtuellen Live-Sessions teilzunehmen. Uns war es sehr wichtig, dass auch in der Fertigung Zukunft erlebt und erlernt werden kann. Beschäftigte ohne PC-Zugang erreichen wir über ein Face-to-Face-Konzept aus zwei Bausteinen: zum einen ein inhaltliches Lernkonzept mit Grundlagen rund um Elektromobilität. Für den Train-the-Trainer-Ansatz haben wir standardisierte Lernmaterialien erstellt und in die jeweilige Landessprache übersetzt. In Workshops wurden die Themen an den Fertigungsstandorten erklärt und diskutiert. Ergänzend dazu gab es eine Art Roadshow, bei der die Mitarbeitenden in der Produktion unsere neuen Produkte kennenlernen konnten. So bekommen sie ein Gefühl für Produkte, die später vielleicht auch an ihrem Standort produziert werden. 

Wie viele Personen nehmen an dem Programm teil?

Mittlerweile haben wir mehr als 22.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer konzernweit. Wir sind mit einer ausgewählten Division gestartet, für die das Thema Elektromobilität eine besonders starke Rolle spielt. Aufgrund des positiven Feedbacks und der hohen Nutzerraten haben wir das Programm für den ganzen Konzern geöffnet und um das Thema Digitalisierung erweitert. Die Plattform heißt inzwischen ZF Skills Hub, da wir uns nicht mehr nur mit Elektromobilität, sondern auch mit anderen Zukunftsthemen beschäftigen.  

Wie ist die Online-Plattform entstanden?

Wir haben uns bewusst für ein Konzept entschieden, das wir ständig in Zusammenarbeit mit Fachbereichen und aktiven Nutzern weiterentwickeln. Das heißt, wir sind mit sehr wenigen Inhalten live gegangen und haben diese erst Schritt für Schritt ergänzt. Über ein Dashboard und Feedbacks haben wir genau analysiert, was funktioniert, bei Bedarf angepasst und parallel weiterentwickelt.

Auf Basis dieser positiven Erfahrungen haben wir jetzt ein vergleichbares Angebot für das Thema Digitalisierung zur Verfügung gestellt: Auch hier haben wir innerhalb der kurzen Zeit schon 18.000 Nutzer.   

Wie vermitteln Sie Hard Skills?

Unsere Intention ist es, über die Plattform breites Wissen bereitzustellen. Wir weisen Lernende jedoch aktiv auf tiefergehende Qualifizierungsangebote hin. Das heißt, wir verlinken auf Angebote außerhalb der Plattform, die eine umfassende Professionalisierung in einem bestimmten Wissensfeld unterstützen: Es gibt auch neben dem ZF Skills Hub weitere Weiterbildungsangebote. Für besonders betroffene Felder, wie dem klassischen Getriebeentwickler, bieten wir auch Re-Skilling-Reisen an, um unsere Mitarbeitenden in neue Jobs bei ZF zu qualifizieren. Das sind dann teilweise mehrmonatige Programme in Vollzeit.  

Hat Sie etwas völlig überrascht?  

Mich hat überrascht, wie schnell wir sehr viele Menschen erreichen. Ich glaube, es liegt daran, dass wir das Modell sehr nutzerzentriert entwickelt haben. Wir haben zum Beispiel viele Fokusgruppen-Interviews geführt und Fachbereiche eng eingebunden. Wir haben Schnelligkeit vor Perfektion gestellt: Unsere Schnelligkeit hat uns ein wenig selbst überrascht; nach nur einem Jahr Planung haben wir die E-Cademy gestartet.

ZF legt großen Wert auf Aus- und Weiterbildung, bisher sehr klassisch. Auf eine Online-Plattform zu gehen und auf Selbstlernen zu setzen, war ein völlig neuer Ansatz. Aber im Nachgang finde ich den Erfolg gar nicht so überraschend: Die Plattform und ihre Inhalte sind modern und auf der Höhe der Zeit, die Live-Sessions sind das auch. Wichtig ist: Wenn ich Zukunft gestalten will, darf sie sich nicht nach Vergangenheit anfühlen. Auch das Lernkonzept muss Zukunft widerspiegeln und sollte  Menschen helfen, Zukunft bereits im Heute in ihrem Alltag zu erleben.

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